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Strategiediskussion
 

Eine Strategie – und ihre ersten Schritte

von Klaus Buschendorf

Zum Nachdenken über heutiges Vorgehen hatte ich an eine Strategie erinnert, aufgestellt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie man die Gesellschaft verändern könne. Sie stammt von Marx und Engels.

Was wurde daraus? 1911 und 1913 trafen sich die sozialdemokratischen Parteiführungen Europas in der Schweiz. Sie folgten der Voraussage Engels, dass ein großer europäischer Krieg kommen werde und beschlossen, bereits bei Kriegsausbruch nach der Macht im Staat zu greifen. 1914 kam die Nagelprobe. Da Kaiser Wilhelm II. von Deutschland die ersten Kriegserklärungen an Russland und Frankreich aussprach, geriet die deutsche Sozialdemokratie als erste in die Pflicht. Mit einer Stimme Mehrheit beschloss ihre Reichstagsfraktion, den Kriegskrediten zuzustimmen! Der Griff nach der Staatsmacht fand nicht statt.

Hätte sie eine aussichtsreiche Chance gehabt? Im Geschichtsbild unserer Zeit wird oft das Bild kriegsbegeisterter Menschen gesehen. Dieses Bild trügt. Nachgeborene halten sich zumeist an Schriftliches, um die Vergangenheit zu studieren. In den Zeitungen gab es damals viele solche Bilder. Doch Zeitungen waren, mit Ausnahme des sozialdemokratischen „Vorwärts“, grundsätzlich „kaisertreu“. Neuere Untersuchungen auch anderer Quellen (kaum bekannt) zeigen, die Landbevölkerung war grundsätzlich gegen den Krieg. In der Stadt kam Kriegsbegeisterung nur in bürgerlichen Kreisen auf. Das war auch keine Mehrheit. Die sozialdemokratischen Arbeiter wollten den Zinnwalder Beschlüssen aus der Schweiz folgen – und wurden von ihrer Reichstagsfraktion im Stich gelassen! Also: Chancen hätte es gegeben!

Über die Chancen der übrigen, von der deutschen Sozialdemokratie verratenen europäischen Parteien, nachzudenken, halte ich für überflüssig. Die waren dahin.

Ich folgere: Parteien werden, selbst dann, wenn sie in Gegnerschaft zum System gegründet werden, im Laufe ihrer Dauer selber zum Teil des Systems. Sie können nicht die Aufgaben ausfüllen, welche Marx und Engels erwartet haben: Schulung der „Elite“ und Verbindung zu den Volksmassen sowie deren Aktivierung. Die „Elite“ der Arbeiterklasse verriet die Volksmassen, die „Elite“ wurde gekauft durch Anteilnahme an der Macht. Dass es einzelne Personen gab, die sich dem Trend entzogen, ändert nichts an der grundsätzlichen Feststellung. Die Geschichte der „Grünen“ beweist, dass sie auch heute gültig ist. Die Geschichte der LINKEN scheint sie erneut zu bestätigen. „Regierungsverantwortung“ hat eine magische Anziehung auf Funktionäre, dafür lassen sie die Verbindung zur „Basis“ gerne sausen, es folgt der Verrat der ursprünglichen Ziele. Die Geschichte der SPD zeigt das bis heute, die LINKE scheint diesen Weg gehen zu wollen.

Die jüngste Geschichte einer Veränderung, der „Mauerfall“, bestätigt die Unfähigkeit von Parteien, aber die Fähigkeit des Volkes zur Veränderung einer gesellschaftlichen Ordnung. „Wir sind das Volk!“ Diese Losung aktivierte ohne Partei die Menschen zum Sturz der Staatsmacht. Die unten „wollten“ nicht mehr, die oben „konnten“ nicht mehr.

Der Vergleich mit der vorhanden Strategie fällt für mich so aus: Sie wurde zu Beginn des I. Weltkrieges fehlerhaft ausgeführt. Ursache: Versagen der Führung durch geschickte, allmähliche Einbindung in die Macht durch die Gegenseite, Korrumpierung durch Machtanteil („Regierungsverantwortung“ steht heute dafür). Es muss untersucht werden, ob das überwunden werden kann. Die geschichtlichen Erfahrungen gehen ja weiter.   

 

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